[Bad Nazi, Good Nazi]

Chanoch Ze'evi | Israel 2019


Eine Familie begibt sich in dem Dokumentarfilm auf Spurensuche: Wilm Hosenfeld schrieb exzessiv Tagebücher, als er unter den Nationalsozialisten diente. Anfangs war der ehemalige Leiter der Dorfschule in Thalau im Landkreis Fulda noch voller Begeisterung für die Gesinnung der Soldaten. Doch dann erlebt er die menschlichen Abgründe selbst mit. Er beginnt einige der in Lebensgefahr schwebenden Jüd:innen zu retten, wie Wladyslaw Szpilman, dessen Lebensgeschichte nachhallend in Roman Polańskis »Der Pianist« verfilmt wurde. Nun soll in Thalau für Wilm Hosenfeld eine Gedenktafel errichtet werden, um auch hier an seine positiven Taten zu erinnern. Doch in dem Dorf hat man gemischte Gefühle. Kann man einen Nazi als Helden anerkennen?

Den Menschen ehren für das, was er gewesen ist

Frauen singen ein altes Volkslied: Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus. Alte Familienbilder zeigen den Leiter der Dorfschule schmuck zusammen mit seiner Klasse ... und so sah er dann später in Uniform aus: Dieses zweite Bild können sie natürlich nicht in der Grundschule aufhängen, da dürfen keine Hakenkreuze zu sehen sein. 


Filmbild aus Bad Nazi, Good Nazi ©Chanoch Ze'evi | Israel 2019
Filmbild aus Bad Nazi, Good Nazi ©Chanoch Ze'evi | Israel 2019

Schon 1935 trat Wilm Hosenfeld enthusiastisch in die NSDAP ein. 1937 halten viele seiner Tagebucheinträge die Ereignisse fest: »Sie marschieren alle und mein Herz marschiert mit!« Zeitzeugnis einer beklemmenden Euphorie, die alle einnimmt. Und »er gehört zu ihnen, er spürt es.« 1938 hält er in der Schule motivierte Reden, ganz im Sinne der Partei: Bei der Wahl ihres Ehepartners sollen die Heranwachsenden nicht die Gesetze des Blutes außer Acht lassen. Aber auch: Keiner von den Eltern soll den Kindern sagen, sie sind dumm oder aus ihnen sowieso nichts wird. Geduldig solle man sein und lieber loben als tadeln. Der junge Lehrer als Gutmensch, der nur das Beste für die Gesellschaft möchte. 1939 kommt er nach Polen als Kommandant für Kriegsgefangene. Den grauen Rock möchte er da am liebsten in Fetzen reißen, schreibt er in seine Hefte. Es gehen Gerüchte um, dass man die Gefangenen Jüd:innen vergiftet und danach in Massengräber wirft. Ist das zu glauben? Kann es deutsche Soldaten geben, die solche Befehle geben und ausführen? Sind sie wahnsinnig geworden …?

So ein Mensch wie die anderen, das ist er nicht

Im August 1944 schickt er das letzte dieser Hefte nach Hause, die sich nun in gegenwärtigen Kartons stapeln. Ja, sein Vater war ein Nazi, erklärt der Sohn, und doch ist das nur eine plakative Aussage, die zwar der Wahrheit entspricht, aber nicht das komplette Bild von ihm beleuchtet. Seine Humanität zeigen seine Schriften, in denen er das verarbeitete, was nicht seiner Einstellung entsprach und ihn belastete. Die Hilfstaten, die er dann ausführte, sollten doch gerade in seiner Heimat gewürdigt werden. Oder nicht?


Filmbild aus Bad Nazi, Good Nazi ©Chanoch Ze'evi | Israel 2019
Filmbild aus Bad Nazi, Good Nazi ©Chanoch Ze'evi | Israel 2019

Fazit

Der Fokus im Film liegt besonders bei den unterschiedlichen Meinungen zu der Thematik: Ob jemand eine Ehrung verdient, der selbst Teil des Leid verursachenden Systems war. Die aktuellen Lehrer:innen an der Dorfschule, die ehemaligen Schüler:innen von Wilm Hosenfeld, die Witwe von Wladyslaw Szpilman, die jüdischen und deutschen, ehemaligen und aktuellen Bewohner:innen von Thalau, genauso wie seine Nachkommen, treten alle mit ihren Gedanken dazu in Erscheinung. Kann sein Leben den jüngeren Generationen vermitteln, das, auch wenn sie sich auf einem falschen Weg befinden, noch eine andere Haltung eingenommen werden kann? Um nicht einfach blind mitzugehen, wenn es nicht mit den eigenen Ansichten übereinstimmt? Oder ist so eine Ehrung allein für den überzeugten Eintritt in die NSDAP ein Affront, womit Thalau am Ende sogar noch zu einem Pilgerort für rechts Gesinnte werden könnte? Objektiv setzt Chanoch Ze´evi diese in die Tiefe gehenden sozialen und politischen Identitätsfragen und die daraus entstehenden Konflikte sowie Versöhnungen in Szene. Mit Erfahrung: Er selbst ist die dritte Generation von Holocaustüberlebenden.



»Bad Nazi, Good Nazi« lief im Programm des DOK.fest München @home 2021 in seiner Weltpremiere und war für den Wettbewerb DOK.deutsch nominiert.


© Tina Waldeck 2021