[Black Notebooks I. + II.]
Shlomi Elkabetz | Israel 2021
Unscharfes Bild. Ein Frauengesicht in Großaufnahme. Einmal war sie schön, – nun „sieht sie dezent scheiße aus“, erklären die junge krebskranke Frau mit offenen und ehrlichen Worten vor der Kamera ihres Bruders.
Der Tod folgt allen – der Filmemacher folgt ihr
Das filmische Tagebuch, – verfasst als medialer Liebesbrief, – versucht das Leben da zu durchkreuzen, wo die Realität längst entschieden ist: Insgesamt dreißig Jahre begleitet Filmemacher Shlomi Elkabetz seine Schwester als Schauspielerin, politische Aktivistin und Feministin. 2016 stirbt sie im Alter von 51 Jahren an Krebs.
Fazit Teil I VIVIANE
Der erste Teil befasst sich verstärkt mit dem Erstlingswerk und den darin verborgen liegenden Parallelen zur eigenen Familie, besonders mit der Mutter, die ein Symbol für viele Frauen wird: mit Kraft zur Veränderung. „Die Zeit als Dokument, das keine Diskretion benötigt“, kommentiert der Filmemacher aus dem OFF, so wie er viele Dinge nachträglich mündlich oder musikalisch unterlegen wird: Shlomi Elkabetz schneidet dokumentarisch und inszeniertes Material sowie Fragmente von Interviews inhaltlich gegeneinander. Schon am Tag der Premiere von „Get - Der Prozess der Viviane Amsalem“ wird ihm vorgeworfen, „fast eine pornografische Nähe entstehen zu lassen“. Das trifft auch bei den Filmen 2021 zu: Sisyphus-artige emotionale Tauchgänge in die ehrlichen Abgründe der Gefühle.
Fazit Teil II RONIT
Im zweiten Teil verengt sich der Fokus noch persönlicher auf Ronit, die nun selbst Mutter wird. Die Verkörperung wird zum Dasein: Bodenständigkeit anstatt Avantgarde? Ihr wird alles zu viel zwischen Familie und Filmbranche, doch sie spielt: Und als ihr nach der Krebsdiagnose die langen Haare ausfallen, versteckt sie es unter einer Perücke. Begeisterung bei den Golden Globes, als sie – nach einer von der Öffentlichkeit unbemerkten Chemotherapie – einfach die kurzen Haare als ihren neuen, modernen Look präsentiert. Auch mit der Musik von Bernard Herrmann aus „Vertigo“ gibt der Filmemacher hier eine selbstbestimmte Richtung vor, – vielleicht nicht als Besessenheit von einer Frau, sondern als eine innige Verbundenheit zu einer Stärke, die mit allen Mitteln festgehalten werden möchte.
«Black Notebooks» lief auf dem International Film Festival Rotterdam 2022.
© Tina Waldeck 2022