[Eyimofe]
Arie Esiri & Chuko Esiri | Nigeria 2020
“The best safety tool is a safety worker.”
Eine Wand mit unzähligen Kabeln und noch mehr losen Drähten. So unsicher wie das Leben selbst: Immer gefährlich bei denen, die aktiv damit in Kontakt kommen. Ein älterer Mann versucht das gelbe, grüne und schwarze Durcheinander zu entwirren. Mofe trägt rote Arbeitskleidung, wie alle seine Kollegen. Mit seinem hart verdienten Geld kauft er sich einen Pass, um nach Spanien einreisen zu können. In den Slums hängen Frauen Wäsche auf und die Kamera fliegt von oben durch die ärmlichen Häuserschluchten. Der Traum von einem besseren Leben. Er zeigt seine Errungenschaft stolz seinen Kollegen und diese lachen über seinen dort stehenden neuen Namen: Sanchez. Doch die Scherze sind bald vorbei, als die harte Zufälligkeit des Lebens ihn einholt. Ausgerechnet eine Maschine wird seiner Schwester und ihren Kindern zum Verhängnis. Der Verlust von Familie, der Kampf mit der verbliebenen und das langsame Aufbauen einer neuen: Marode Systeme, die langsam zerfallen und wieder sporadisch repariert werden. Immer kurz vor dem Zerfall und doch irgendwie funktionierend.
Am selben Ort ist zeitgleich eine junge Frau mit ihrer kleinen, schwangeren Schwester auf sich alleine gestellt. Der Vermieter klopft an die Tür: Wenn das hübsche Mädchen doch nur ein bisschen netter zu ihm wäre, dann könnte er den beiden auch die Miete erlassen, – aber Rosa will das nicht und weist ihn ab. Sie geht anstatt dessen mit einem gut aussehenden, reichen Amerikaner Tofu essen. Andi lacht, als sie das Gesicht verzieht. Die beiden mögen sich, aber er wird von seinen Freunden vor ihr gewarnt: Die will nur sein Geld. Der Traum von einem besseren Leben bleibt genauso ein schöner Schein wie die glitzernde Perücke, die Rosa trägt. Mit ihrer Schwester Grace geht sie zu einer älteren Dame und sie machen einen Deal: Die beiden wollen ihr das Baby gleich nach der Geburt geben und im Gegenzug dafür soll sie den beiden Pässe nach Italien besorgen. Doch erneut verknüpft das Leben die Wege anders als gewünscht.
Fazit
In authentischen Bildern folgt der Film, klar getrennt in zwei Abschnitte, den Perspektiven von Mofe und Rosa, welche beide den Traum von einem besseren Leben verfolgen. Doch werden ihre Wege nicht nur von den Ereignissen, sondern auch von den Menschen in ihrem Umfeld und der Abhängigkeit von ihnen gelenkt. Ein stetiges Wechselspiel zwischen Großzügigkeit und Ausnutzung. Ohne jemals die Kontrolle über die Situationen zu haben, kämpfen sie dabei immer wieder um ihre Existenz und erzeugen dabei andere Blickwinkel auf ähnliche Bedürfnisse. Spannend bleiben auch die inszenierten Details: wie in den Überschneidungen der Orte, welche sie verbinden. Sicherheit gibt es dabei nirgendwo: Die Drähte können jederzeit falsch verknüpft werden. Jede menschliche Verbindung birgt ein Risiko. Die Kunst ist es, auch nach einem Stromschlag stetig am Leben weiterzuarbeiten.
»Eyimofe« lief auf der Berlinale 2020 in der Sektion des Forums sowie beim Lichter Filmfest Frankfurt International 2021 und konnte – als Debütfilm der beiden Regisseure – auch auf vielen weiteren internationalen Filmfestivals Sympathien und Preise für sich gewinnen.
© Tina Waldeck 2021