[Room without a view]

Roser Corella | Deutschland, Österreich 2021


Über ein schwarzes Bild erklärt eine Stimme aus dem OFF, dass er Interesse an einem Hausmädchen hätte. Welche Nationalitäten könnte ihm die Agentur da vermitteln? Junge Frauen aus Kenia, von den Philippinen und aus Äthiopien antwortet eine weibliche Stimme. Philippinische Hausmädchen sind mit bis zu 5.000 Dollar am teuersten „im Einkauf“. Für ein äthiopisches Mädchen dagegen, – das Arabisch spricht und Kenntnisse im Haushalt hat, – sind es nur 200 Dollar. Nach einer Testphase von drei Monaten kann er sie wieder umtauschen und er braucht sich keine Sorgen zu machen: Weglaufen kann sie nicht, denn Pass und Papiere bleiben bei der Agentur.

Moderne Sklaverei im alten Gewand

Ein junges Mädchen spricht in der Schule davon, im Ausland arbeiten zu wollen. Sie möchte Geld verdienen, um studieren zu können: Ihre Familie ist zu arm, um ihr das zu bezahlen. Junge Frauen sitzen in einem Bus und schauen fröhlich aus dem Fenster in ihre erträumte Zukunft. Am Bahnhof im Libanon stehen lange Schlangen von Frauen mit Reisetaschen. Oft erfahren sie erst vor Ort, dass sie verkauft worden sind: Von dem Moment an, wo sie den Vertrag der Agenturen unterschreiben, gehören sie ihren neuen Besitzern – und alles, was diese ihnen sagen, müssen sie widerstandslos umsetzen. Im Libanon sind Bedienstete schon lange in den Gesellschaftsstrukturen verwoben: Ein Hausmädchen zu besitzen, gehört hier zum sozialen Status. Der Umgang mit ihnen bleibt im Verborgenen der Wohnungen den jeweiligen Familien überlassen.

Die Organisation „Migrant Domestic Workers in Lebanon“ versucht, den Frauen einen Anlaufpunkt zu geben: Hier können sie Erfahrungen austauschen, um sich nicht ganz alleine zu fühlen. Oft erfahren sie in den Familien Rassismus und Diskriminierungen: Ihre Namen werden von den Familien geändert, weil diese zu schwer auszusprechen sind. Sie werden „verbal und sexuell beleidigt“. Selbstmorde in der Verzweiflung, dieser Situation für immer ausgeliefert zu sein, sind nicht selten.


Filmbild aus Room without a view ©Roser Corella | Deutschland, Österreich 2021
Filmbild aus Room without a view ©Roser Corella | Deutschland, Österreich 2021
Filmbild aus Room without a view ©Roser Corella | Deutschland, Österreich 2021
Filmbild aus Room without a view ©Roser Corella | Deutschland, Österreich 2021

Fazit

Der Film zeigt Erfahrungsberichte der Frauen, die oft auch in Interviews vor der Kamera sitzen: Viele wenden verschämt und verlegen den Blick ab oder weinen. Dabei bleibt es eine einfühlsame Dokumentation, – auch nicht mit einem eingeschränkten Fokus, denn es kommen ebenfalls Stimmen zu Wort, die das System der Hausangestellten befürworten oder in diesem Selbstverständnis aufgewachsen sind: sogar von Hausmädchen mit erzogen wurden. 

Oft werden ruhige und abstrahierte Bilder von der alltäglichen Lebenssituation der Frauen dazwischen geschnitten: Die Aufnahmen der Häuserwände haben einen Touch von Chantal Akerman und schaffen ein Verständnis – bei den verborgenen und verhängten Zimmern –, dass für die jungen Frauen wirklich oft kein Hoffnungsschimmer mehr zu sehen ist. Ein guter Blick in die menschlichen Abgründe am Rande der Gesellschaften, über die sonst (auch bei Kenntnis) geschwiegen wird.



»Room without a view« lief auf dem Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest 2021 und war zuvor schon auf dem Zurich Film Festival 2021 im Bereich »Best Film in Focus Switzerland, Germany, Austria« nominiert.


© Tina Waldeck 2021