[Taming the Garden]
Salomé Jashi | Schweiz, Deutschland, Georgien, Niederlande 2021
Ein Landesinnere wird gezeigt: Sonnenlicht fällt durch den Wald. Vogelschreie und das Rauschen der Blätter. Nebel zieht vorbei. Monumentale Bilder, dazu sanfte Klänge meditativer Musik. Harmonisch wie ein Gemälde und doch ist zu spüren: Sobald die Menschen erscheinen, wird die Idylle der Natur durchbrochen.
Ist ein Garten wichtiger als ein Baum?
Äxte werden gezückt und Kettensägen angeworfen. Absurd klein wirken die Bauarbeiter gegenüber der überdimensionalen Natur und trotzdem zerstören sie sie wie Parasiten. In der Pause sitzen die Arbeiter zusammen, rauchen und unterhalten sich: Plötzlich bekommen die Dorfbewohner Geld für einen einzigen Baum, der hier schon seit sie denken können und ohne ihr Zutun gewachsen ist. Aber „well, that´s cool!“
Sie stehen auf und befestigen das Erdreich um den ausgewählten Baum, – er soll unbeschadet einmal quer durch das Land in einen privaten Garten transportiert werden. Andere Bäume am Wegesrand müssen weichen, damit dieser eine Baum unbeschadet an ihnen vorbeikommt. Ganze Familien stehen dabei und sehen zu: Er war bis zu diesem Tag die Zierde in ihrem Bezirk, viele Generationen wuchsen unter ihm auf. Entwurzelung der anderen Art.
Harter Schnitt auf die sanften Wellen des Meeres. Auf dem Boot treibt der Baum zielstrebig und ohne eigenen Willen. Betonplatten werden bis zum Ufer ausgelegt und sogar ganze Straßen eigens gebaut, nur damit „der eine“ unbeschadet in seinem neuen Zuhause ankommt. Den Bewohnern aller umliegenden Ortschaften ist das Treiben zwar suspekt, aber solange sie dafür gut bezahlt werden, soll es ihnen egal sein.
Fazit
Die Zähmung der Bäume, so der deutsche Titel, erinnert in manchen Teilen an den Wahnwitz von Werner Herzog und Fitzcarraldo, – nur das es hier kein Spielfilm ist. In der Dokumentation wird einem das obskure Verhalten erst bewusst, wenn Menschen (mit Geld) sich etwas in den Kopf gesetzt haben und wortwörtlich Berge versetzt werden, nur um deren Wünsche umzusetzen. Imposant wirken dabei alle Bilder: Die einen hinterlassen den Eindruck einer poetisch-mystischen Unschuld, die anderen sind mit dem Grusel eines unheilvollen Science-Fiction-Charakters versehen. Ruhig und bedacht beobachtet, formt und verstärkt die Filmemacherin die Atmosphäre.
Salomé Jashi wurde mit dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD sowie dem IDFA Bertha Fund gefördert. »Taming the Garden« feierte seine Uraufführung auf der Viennale 2021 und lief auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2022 im Wettbewerb Dokumentarfilm, wo er den Bereich »Beste Musik in einem Dokumentarfilm 2022« für sich gewinnen konnte. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro – ausgeschrieben von der Saarland Medien GmbH und gestiftet von der Strecker Stiftung – geht zu gleichen Teilen an die beteiligten Komponist:innnen sowie an die Filmemacherin – für die Musik- und Tongestaltung in ihrem nächsten Filmprojekt.
© Tina Waldeck 2021