[The Banality of Grief]

Jon Bang Carlsen | Dänemark 2021


Der Filmemacher reist durch die Landschaften, die er früher mit Madeleine besucht hat und filmt dabei Dinge, die in keinerlei Zusammenhang zu stehen scheinen, wie Kühe auf einem Feld in Utah: Aber „sie scheinen in dem hohen Gras zu verschwinden, wie du verschwunden bist“, transportiert er die Gedanken (s)eines Verlustes aus dem OFF.

Ein filmischer Liebesbrief

Irland 2016. Ein offener Sarg steht in einem Haus. Letzte körperliche Berührungen: Distanz und Nähe gleichermaßen. „Und die Frau, die sie küsst, hat sie an ein Waisenhaus gegeben“, verrät der Filmemacher beiläufig am Rande. Niemand in dem kleinen irischen Dorf sollte 1950 von dem Bastard-Kind wissen, – so hatte es die Kirche genannt. Nachdem sie in London geboren wurde, kam ihre Mutter alleine zurück und erzählte keinem von dem kleinen Mädchen, das sie bei Fremden gelassen hatte: Und dieses sollte ihr ganzes Leben lang das Konzept der Familie infrage stellen, um vielleicht auch dadurch zu der wilden, aber verletzlichen Kriegerin werden, in die er sich später Hals über Kopf verlieben sollte.


Filmbild aus Jon Bang Carlsen ©Jon Bang Carlsen | Dänemark 2021
Filmbild aus Jon Bang Carlsen ©Jon Bang Carlsen | Dänemark 2021
Filmbild aus Jon Bang Carlsen ©Jon Bang Carlsen | Dänemark 2021
Filmbild aus Jon Bang Carlsen ©Jon Bang Carlsen | Dänemark 2021

In Singapur filmte er 2014 in Wohnungen hinein, wo die Bildschirme flimmerten: Barack Obamas Stimme war in dieser Zeit ein Funken Hoffnung in der Welt, – auch in dem kleinen Liebesnest der beiden im Dschungel. In Arizona 2017 sind nur noch Fernsehaufnahmen von Donald Trump zu sehen und der Filmemacher filmt sich selbst mit heruntergezogenen Mundwinkeln, allein. Dinge, die nicht zu ändern sind, und doch akzeptiert und verarbeitet werden müssen.

Fazit

Da, wo ein Leben schon am Anfang des Films beendet war, da beginnt erst die Geschichte der Trauer, Reflexion und Verarbeitung. Jon Bang Carlsen versucht die Leerstelle mit Erinnerungen zu füllen und Erlebnisse zu erfassen, die er zusammen mit Madeleine erlebt hat, – fragmentarisch, ineinander verschachtelt und verschlungen, wie auch die Lebenswege es oft sind und waren. Dabei erzeugt er nicht nur auf einer sozialen, sondern auch auf einer gesellschaftlich-politischen Ebene eng verwobene und poetisch-experimentelle Verbindungspunkte. Seine mit bedacht vorgetragenen Dialoge/Monologe tragen ebenfalls wesentlich zu einer ergreifenden Atmosphäre bei.



»The Banality of Grief« lief in der internationalen Premiere auf dem Internationalen Filmfest in Amsterdam 2021.


© Tina Waldeck 2021