[The Sign Painter]

Viesturs Kairiss | Lettland, Tschechische Republik, Litauen 2020


Der Kapitän auf seinem kleinen Boot dreht sich zu einem jungen Mann herum. Dieser kehrt in sein Heimatdorf zurück und fröhliche, traditionelle Musik erklingt in Vorfreude auf das Zuhause. Doch sie endet abrupt. 

Eine gewisse Tragikomik liegt von Anfang an in der Luft: Die Kamera zeigt konsequent eine schräge Perspektive auf die schräg absurden, an historischen Geschehnissen angelehnten Ereignisse. Mit der Ankunft von Ansis regiert Kārlis Ulmanis von 1934 bis 1940 in Lettland und der noch motivierte junge Mann, der seinen Lebensunterhalt als Anstreicher verdient, obwohl er viel lieber klassischer Maler wäre, bekommt den Auftrag, alle Schilder in dem Dorf grün zu übermalen, denn dies soll hier jetzt die Farbe der Einheit sein. So werden alte Namen und Identitäten ausgelöscht. Auf einer Feier drückt sich der neue Bürgermeister provozierend an den jüdischen Bewohner:innen des Dorfes vorbei, bevor er das ebenfalls neu lackierte Boot betritt, um es einzuweihen. Doch auch dieses gerät in Schräglage. Griesgrämig schaut der alte und nun ehemalige Kapitän auf das ganze Dilemma.


Filmbild aus The Sign Painter ©Viesturs Kairiss | Lettland, Tschechische Republik, Litauen 2020
Filmbild aus The Sign Painter ©Viesturs Kairiss | Lettland, Tschechische Republik, Litauen 2020

Unterdessen verliebt sich Ansis in die schwarzhaarige Zisele, die Tochter des reichen jüdischen Kaufmanns, welcher genauso wie der Dorfpfarrer recht ungehalten über diese Verbindung ist. Da scheint es ein glücklicher Zufall, dass das rothaarige Mädchen Naiga in das Dorf zieht. Anhand der unterschiedlichen Figuren und deren Lebenssituationen kommen die religiösen und traditionellen Ansichten in Konflikt, wobei die emotionalen Verbindungen zueinander genauso stetig wechseln wie die Veränderungen innerhalb des kleinen Dorfes: Schon bald kommt die sowjetische Besetzung und Ansis soll alle grünen Schilder nun doch in Rot überstreichen: Genosse Klopcītis gibt jetzt die Befehle und eine Büste von Stalin wird aufgestellt. Als die ersten Deportationen nach Russland beginnen, wird es immer ungemütlicher, doch es wird sich noch weiter zuspitzen.


Filmbild aus The Sign Painter ©Viesturs Kairiss | Lettland, Tschechische Republik, Litauen 2020
Filmbild aus The Sign Painter ©Viesturs Kairiss | Lettland, Tschechische Republik, Litauen 2020

Fazit

»The Sign Painter« basiert auf dem Roman »Pilsēta pie upes« des lettischen Schriftstellers Gunars Janovskis aus dem Jahr 1992. Im Film zeichnet die Kamera subtil den Aufstieg oder Abfall von Systemen, Gefühlen oder Wertigkeiten. Traditionen werden überlagert und angepasst, auch wenn jedes System die gleichen Dinge übernimmt, Objekte so wie Menschen. Tragikomischen Spitzen und kleine Details machen harte Fakten verdaulicher, so wie es Humor schafft, die schwere Realität besser zu verarbeiten. Die Schicksale der Einzelnen erscheinen und verlöschen fast am Rande, – genauso wie ihre Nationalitäten und Identitäten in den Forderungen, deutsch zu sein, jüdisch zu sein, russisch zu sein und/oder lettisch zu sein. Um am Ende zu leben, aber überhaupt nicht das zu sein, was sie eigentlich sein möchten. Ausgeliefert in einem stetigen Fluss von dargestellter Bodenständigkeit, erzählt mit einer empathischen, einfühlsamen und feinsinnig durchdachten Ästhetik.



»The Sign Painter« lief beim jüdischen Filmfestival Berlin & Brandenburg 2021 in der Sektion Wettbewerb Spielfilm.


© Tina Waldeck 2021