[The Trouble with being born]
Sandra Wollner | Österreich, Deutschland 2020
Minutenlang bleibt das Bild anfangs schwarz, während umso intensiver die Geräusche im Hintergrund zu hören sind: unsanftes Rauschen mit verzerrten Stimmen. Vögel, deren Zwitschern abrupt endet. Ein Klirren. Dann gibt der Blick Lichter frei, als ob jemand zwischen den Baumkronen zu lange in die Sonne gesehen hat und sich erst einmal neu an die Umgebung gewöhnen muss. Die Kamera richtet sich auf und geht zwischen Bäumen entlang. Insekten summen. „Es riecht nach feuchter Erde und Wald“ erklärt eine kindliche Stimme sanft, während sich die Kamera immer mehr dem Boden nähert. Laub bedeckte Pfade. Geheimnisvoll und mystisch. Aus dem Wald heraus sieht man Bodenkacheln und einen Pool. Jemand liegt auf einer Liege. „Und, da bist du und wartest auf mich.“
Und der makabere Sommer hat gerade erst angefangen
Der Mann auf der Liege schaut kurz direkt in die Kamera hinein, bevor er zu ihr blickt, wie sie im Badeanzug an ihm vorbei zum Pool läuft. Näher fährt die Kamera an die beiden heran und folgt ihr. Sie balanciert auf den Steinen am Rand. Die Kamera zoomt in das Wasser hinein. „Mutter hätte mir das nie erlaubt“, flüstert die Stimme, während die Wellen in der Nahaufnahme beben.
Schnitt in das Innere des Hauses, wo sich der Mann zur seichten Musik ein Bier gönnt. Er zündet sich eine Zigarette an und schaut aus dem Fenster, bevor er in Unterhosen eilig wieder hinaus läuft. Das Mädchen treibt mit dem Kopf nach unten im Wasser. „Scheiße“, murmelt er. „Nicht schon wieder.“ Er nimmt sie hoch, hält sie fest und sie umarmt ihn. Soll er weitermachen? Ja. Bitte. „Die Mama hätte mir das nie erlaubt“, flüstert die Stimme erneut. „Aber sie muss ja nicht alles wissen.“ Sehr lange, regungslose Aufnahmen, ungute Gefühle, doch sie „möchte immer bei ihm bleiben.“ Gewitter zieht auf.
Fazit
Noch während dieser Anfang verarbeitet werden möchte, geht es mystisch treibend weiter. Überlagerungen und Zeit-Schichtungen: Was einst (vielleicht) geschehen ist oder noch geschehen könnte. Liebe, Begehren, Zuneigung, – Schuld und Unschuld. Positive sowie negative Erinnerungen im Gedächtnis einprogrammiert und umprogrammiert, ob gewollt oder nicht. Nie können sich die Zuschauer:innen eigentlich sicher sein, wohin die zarte Brutalität führen wird. Nicht nur bei Eli, der eigentlichen Hauptfigur, sondern auch bei weiteren Charakteren, die anders und doch gleich sind. Bei allen bleiben regungslose Mienen und eine Verlorenheit in der Welt: Ob lebend oder leblos, ob Mensch oder Maschine – aber wo genau ist da schon der Unterschied?
An vielen Stellen wird der Film unbehaglich. Immer ungenau und vage in der hochästhetischen Umsetzung, fügen sich viele Möglichkeiten erst in der Fantasie der Zuschauern:innen zusammen: in einem geheimnisumwobenen Spielraum, den die Regisseurin meisterlich eröffnet.
»The Trouble with being born« lief auf der Berlinale 2020 in der Sektion Encounters und ebenfalls auf dem edimotion – Festival für Filmschnitt und Montagekunst und war hier – genau wie Berlin Alexanderplatz – für den Preis „Filmstiftung NRW Schnitt Preis Spielfilm“ nominiert.
© Tina Waldeck 2021