[Delegation]
Asaf Saban | Polen, Israel, Deutschland 2023
Jugendliche rangeln am Gepäckband eines Flughafens, bevor sie in einen Reisebus einsteigen und der Busfahrer sie in Polen begrüßt. Frischi wird bei dem Klassenausflug von seinem Großvater Yosef begleitet – denn dieser ist ein Zeitzeuge. Sie besichtigen das erste KZ auf der Rundtour der Erinnerungen.
Treblinka war emotional
Außerhalb der schulischen Aktionen sollen die Jugendlichen vorsichtshalber keine jüdischen Zeichen tragen. Unbehagliche Gesichter, als sie sich in ein Zugabteil quetschen: Damals waren ungefähr 3-mal so viele Menschen wie sie in dem beengten Raum. Unzählige Schuhe sind hinter einem Gitter aufgereiht. Nitzan nimmt heimlich einen davon an sich. Gesprächsrunde am Abend in der Unterkunft mit den Lehrkräften. Sie sollen über ihre Gefühle sprechen: Wie haben sie den Tag empfunden? Nitzan möchte nichts sagen: Sie schreit, steht auf und geht. Und sagt damit vielleicht am meisten.
Sie wollen eine Pause von den hart verdaulichen Geschichten machen und anstatt dessen Schindlers Liste schauen, erklärt der Lehrer. Denn zwischen den allerlei privaten Problemen der Jugendlichen nähert sich auch die Vorbereitung auf den Höhepunkt der Tour: das Betreten von Auschwitz.
Fragerunde Berlinale 2023
Auch der 17-Jährige Regisseur ist damals, wie alle israelischen Schülerinnen und Schüler, zusammen mit seiner Klasse nach Polen gefahren. Die hohe Erwartungen wurden enttäuscht: Sie kehrten nicht als andere Menschen zurück, aber die extremen Gefühle und Stimmungen der Orte prägten sich ein. Auch Ezra Dagan (zu sehen als Großvater und Zeitzeugen Yosef), welcher schon in Schindlers Liste mitspielte, ist in dem Gespräch anwesend:„Schindlers Liste ist wie ein Artefakt.“ Leider bekam das Filmteam nicht die Rechte, den Originalausschnitt von ihm zu zeigen – und auch für Auschwitz bekamen sie keine Drehgenehmigung. Schmälert das die Immersion?
FAZIT
Die Erwartungen dürfen nicht zu hoch liegen, dann wird das Publikum positiv überrascht werden. Auf der einen Seite ist es ein Coming-of-Age-Film, auf der anderen Seite ein Drama, das nach dem großen Vorbild doch kein Holocaust-Film sein möchte. Zwischen schulischem Alltag und dem Abenteuer einer Klassenfahrt scheint alles von der gegenwärtigen Motivation der Jugendlichen gesteuert – und doch sind die Analogien zur Geschichte deutlich. Als Frischi sich von der israelischen Gruppe entfernt, spielt es symbolisch auf die jüdische Flucht, das Separieren von dem vertrauten Umfeld und einer potenziellen Bedrohung des Fremden an. Besonders auffällig ist hier auch der Schuh („in ihren Schuhen stecken“), der noch einmal von einem KZ in das nächste wandern wird. Eine moderne Reise nach Jerusalem mit der Suche nach dem eigenen Platz im Leben und Erfahrungen, die nah am (israelischen) Leben verwurzelt sind.
«Ha'Mishlahat» lief in Deutschland auf der Berlinale 2023 im Programm Generation 14plus sowie im Wettbewerb Spielfilm des Jüdischen Filmfestivals Berlin & Brandenburg 2023 als auch auf dem LUCAS – Internationales Festival für junge Filmfans 2023, Frankfurt am Main.
© Tina Waldeck 2023