[January]
Viesturs Kairiss | Lettland, Litauen, Polen 2022
Nicht nur aus einem bestimmten Alter, sondern auch aus einer bestimmten Zeit hinauswachsen: Der Januar ist der Beginn eines neuen Jahres, auch in Riga 1991, denn bis 1990 war die Stadt Teil der Lettisch Sozialistischen Sowjetrepublik – und damit eine Unionsrepublik der UDSSR. Die „Erklärung zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Republik Lettland“ ist gerade verabschiedet worden und es brodelt der Kampf um deren Anerkennung – der Kampf gegen Unterdrückung und für eine eigenständige Identität.
„Hilf mir, meine Freiheit in Gefangenschaft zu sehen“
Das alles symbolisiert auch die Hauptfigur Jazis: Der junge Mann träumt davon, Filme zu machen, interessiert sich mit wilden, ungezähmten Haaren – die sich noch keiner Richtung beugen wollen – für Menschlichkeit und Liebe. Gleich im ersten Moment begrüßen Ausschnitte von Krzysztof Kieślowski, – doch nicht nur hier wird die Liebe je unterbrochen werden.
Die junge Generation ist bereit, Taten zu filmen, die die russische Spezialeinheit OMON begehen wird. Versteckt hinter Bäumen, schlägt ihm ein Mann die Kamera aus der Hand – und verkündet später vor einer öffentlichen Kamera, dass sie friedlich die Ordnung wieder herstellen wollen, die die Menschen selbst in Unordnung bringen.
„Nicht nur die Zeit stellt Zäune auf“
Da trifft Jazis auf Anna, die ebenfalls filmt. Sie stylt ihm die Haare neu, als widerspenstige Zähmung: halb Punk, halb Intellektueller. Aus Scherz ruft sie Juris Podnieks, einen lettischen Filmregisseur, an: Er soll die Filme beurteilen – und mag ihre schrillen, bunten und lauten Szenen. Sie soll seine neue Assistentin werden. Fassbinder hat auch einmal so angefangen, wird sie gefeiert. Doch Fassbinder ist auch an einer Überdosis gestorben.
FAZIT
In der Darstellung Elemente aus der Vergangenheit nutzend, wachsen die Menschen mit der Illusion von Wahrheit in eine fremdbestimmte Realität hinein, – können sie akzeptieren oder hinterfragen. Als sinnstiftend fungieren (auch hier) Elemente von Kunst und Kultur. Die Einflüsse aus allen Ländern, – so auch eine schöne Anekdote von Werner Herzog –, die als filmisches Archiv ein Denkmal gesetzt bekommen, schaffen einen Rahmen, welcher elegant einbettet und die Wirklichkeit aus der Notwendigkeit heraus verarbeitet – und zu eigenen Geschichten umformt. Ein Wechselspiel in der Abhängigkeit von frustrierendem Grau, das die Farben zerschneiden möchte – und von lebhaften Menschen im Widerstand. Zu welchen Systemen wollen wir gehören?
«January» lief im Wettbewerb des goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films 2023 – wie auch schon sein Vorgängerfilm: «The Sign Painter» – und war Lettlands Nominierung für den besten internationalen Spielfilm bei den Oscars 2023.
© Tina Waldeck 2023