[The Zone of Interest]

Jonathan Glazer | Deutschland 2024


Stimmen aus dem OFF. Langsam wird die eingeblendete Schrift grau, noch grauer, schwarz. Ein langes Schwarzbild folgt, das die Wahrnehmung nun gänzlich auf die Tonebene verschiebt. Wir liegen auf der Lauer, hören ein Flüstern und ein Dröhnen. Woher kommt es, was ist es? Die angespannte Atmosphäre wird mit Vogelzwitschern aufgebrochen – und entspannt das unbehagliche Gefühl. Zunächst.

Ein Flair von Realität

Mit einem voyeuristischen Blick auf ein romantisches Flussufer erscheint das nationalistische Idealbild einer Familie: Rudolf Höß mit Frau Hedwig und den fünf gemeinsamen Kindern Klaus, Heidetraut, Ingebrigitt, Hans-Jürgen und Annegret. Das weiße aller Körper leuchtet in der Sonne. Verkörperte deutsche Idylle. 

Zwei Autos mit SS-Kennzeichnung fahren von dem Waldstück zurück nach Hause. Genau wird mit der Kamera das Haus infiltriert, ritualisierten Eroberungen der Menschen im Inneren. Alltagsmomente, die so normal scheinen, dass die Frage aufkommt, warum diese Bilder angeschaut werden sollten. Eine seltsame Nähe zu Jacques Tati (Mon Oncle), nicht nur in der Farbgebung, – allerdings gänzlich ohne Heiterkeit. Das Lachen staubt genauso wie die Asche, die mit dem Taschentuch abgeschüttelt wird. Stolz wird der Oma, die zu Besuch kommt, das Badebecken im Garten gezeigt, während hinter ihnen – hinter der Mauer – die Todesschreie nicht abbrechen.


Filmbild aus The Zone of Interest ©Jonathan Glazer | Deutschland 2024
Filmbild aus The Zone of Interest ©Jonathan Glazer | Deutschland 2024

FAZIT

Es lohnt sich hinzusehen, nicht nur im Film. Nur so werden die vielen zweifelhaften kleinen Details bemerkt werden. Jene, die im Film auf den ersten Blick für den noch überforderten Geist in den intensiven Farbwechseln und mit der grandiosen Vertonung auf der Strecke bleiben. Die realen Figuren von Rudolf und Hedwig Höß (zweitere auch «Die Königin von Auschwitz» genannt) bekommen mit Christian Friedel und Sandra Hüller einen subtil widerwärtigen Charakter. Sie könnten jederzeit aus der Nachbarschaft kommen: Von dort, wo wir nicht wissen oder wissen wollen, wie viel Leid sich im Hintergrund vollzieht.

Sie, ein bisschen bäuerlich und meisterhaft plump gespielt – er, charakterlich weich und exzessiv seine Pflichten ausführend, um auf der Karriereleiter weiter aufzusteigen. Nicht umsonst kommen Analogien zu Adolf Eichmann und Hannah Arendt in den Nachgesprächen auf: die Banalität des Bösen. Der Inhalt orientiert sich an den realen Geschehnissen in Auschwitz sowie Oranienburg bis 1944. In deutscher Heimatfilm-Qualität bis hin zu David-Lynch-artigen Aspekten, die über die aufgesetzte Menschlichkeit hinweg donnern, um ihnen zu zeigen, wie entfernt die Menschen von ehrlicher Nächstenliebe sind, schleicht sich diese wie eine bedrohte Tierart – oder wie aus einem Märchen entsprungen – abseits durch das Leben.

Wenn sich auf den Film eingelassen werden kann – mit einer bestimmten Kenntnis von Auschwitz im Unterbewusstsein verankert – verhallt der Film nicht ohne das Gefühl, in der übertünchenden Ästhetik, das Grauen tatsächlich durch gefühlt zu haben.



«The Zone of Interest» feierte Weltpremiere auf dem Cannes Film Festival 2023 im Wettbewerb, wo der Film direkt den Großen Preis der Jury, den Cannes Soundtrack Award und auch den Preis der FIPRESCI für sich gewinnen konnte. Gleich fünfmal wurde der Film für einen Award bei den 96. Academy Awards 2024 nominiert. Jonathan Glazer bekam hier mit einer kontroversen diskutierten Dankesrede den Oscar für den Besten internationalen Film überreicht – und auch Tarn Willers & Johnnie Burn konnten sich über einen Oscar in der Kategorie Bester Ton freuen.


© Tina Waldeck 2024